Charakterisierung

Forschung und Entwicklung ist heutzutage untrennbar mit der Charakterisierung der untersuchten Proben verknüpft. Die immer wiederkehrende Fragestellung lautet: Warum funktioniert die eine Probe relativ gut, warum eine andere Probe hingegen schlechter? Und was kann man daraus lernen, um dies bei zukünftigen Proben zu berücksichtigen?

Mal kommen dabei scheinbar triviale, mal hochkomplexe Techniken zum Einsatz, und die einfache Nutzung kann schnell zu grundlegenden Fragestellungen bei der Interpretation der Messdaten führen.

Die Charakterisierung begleitet die Herstellung einer Solarzelle während ihres Herstellungsprozesses und darüber hinaus. Im Folgenden soll dies anhand einer typischen Solarzelle illustriert werden.

Beim Wafer fängt alles an

Bereits die frisch angelieferten Wafer können mittels integraler oder ortsaufgelöster Lebensdauermessungen (z.B. anhand des Zerfall lichtgenerierter Leitfähigkeit, Mikrowellenreflexion oder Lumineszenzstrahlung) auf ihre Qualität hin überprüft werden. Diese Messungen können darüber hinaus allgemeiner genutzt werden, um im Rahmen eines Prozess-Monitorings der Minoritätsladungsträger-Lebensdauer Probleme im Prozess vor allem bei Hochtemperaturschritten ausfindig zu machen, die oftmals von unbeabsichtigter Verunreinigung der Proben herrühren.

Der nächste Schritt hin zur Solarzelle ist zumindest eine Reinigung der Oberfläche oder eine Oberflächenstrukturierung, die für eine verbesserte Lichteinkopplung in die Solarzelle, aber auch für die Entfernung einer defektreichen Oberflächenschicht sorgt. Mittels Lichtmikroskopie, oder höher aufgelöst mittels Atomkraft- oder Rasterelektronenmikroskopie kann die Oberfläche abgebildet werden. Über Elektronenrückstreuung lässt sich auch die Kristallorientierung ortsaufgelöst ermitteln, was gerade bei multikristallinen Materialien interessant ist. Doch unabhängig von der exakten Struktur der Oberfläche gibt eine Reflexionsmessung an einem Spektralphotometer erste Hinweise auf die Qualität der Lichteinkopplung im später interessanten sichtbaren und nahinfraroten Spektralbereich, auch wenn sich noch keine Antireflexionsschichten auf der Probe befinden.

Aus dem Wafer wird eine Solarzelle

Die Einbringung eines stark dotierten Emitters ermöglicht erst die sinnvolle Umwandlung von Licht- in elektrische Energie, sei es nun ein n-Typ Emitter auf einem p-Typ Basissubstrat oder umgekehrt. Mittels 4-Punkt-Messung kann der Schichtwiderstand ermittelt werden. Ein genauerer Blick in die Tiefe erlaubt eine ECV(electrochemical capacitance voltage)-Messung, die das Profil der dotierten Schicht aufdeckt, sei sie nun als Ladungsträger einsammelnder Emitter (n-Typ auf p-Typ bzw. umgekehrt) oder als elektronischer Reflektor für Minoritätsladungsträger (engl. Front/Back-Surface-Field, p+ auf p-Typ oder n+ auf n-Typ) gedacht. Auch anhand des Kontrasts lassen sich stark unterschiedlich dotierte Gebiete an Bruchkanten mittels REM (Rasterelektronenmikroskop) sichtbar machen. QSSPC(quasi steady state photoconductance)-Messungen erlauben es zudem, Aussagen über die Rekombinationsströme zu treffen. Konfokale Raman-Mikroskopie oder Kelvin-Kraftmikroskopie erlauben die Kontrolle und Untersuchung lokal dotierter Bereiche.

Eine Antireflexionsschicht bestehend aus Siliziumoxid, -nitrid, -carbid oder amorphem Silizium gibt der nun fast fertigen Solarzelle die charakteristische dunkelblaue Färbung. Eine Messung der spektralen Reflexion zeigt, ob die optische Schichtdicke der aufgebrachten Schicht eine maximale Lichteinkopplung erlaubt und damit den Strom der Solarzelle später nach oben treibt. Da es sich bei der (blauen) Farbgebung nur um einen Interferenzeffekt handelt, erlaubt der Farbeindruck nur bedingt eine Aussage über die Struktur, die optischen Eigenschaften und die wahre Schichtdicke. Auch hier lohnt sich ein tieferer Blick ins Detail. Ein spektrales Ellipsometer ermöglicht quantitative Aussagen über den Brechungsindex und damit die wahre Schichtdicke sowie die Absorption bzw. den Extinktionskoeffizienten. Auch wenn die Schichtdicke nur 50-100 nm beträgt, so ist die Absorption in der Schicht gerade für den kurzwelligeren Teil des Spektrums nicht zu vernachlässigen. Messungen der Absorption im mittleren Infrarot mittels FTIR(Fourier transformed infrared absorption)-Technik erlauben des Weiteren Aussagen über die Struktur der Schicht anhand von Bindungsdichten, insbesondere in Hinsicht auf gebundenen Wasserstoff, der für die Volumenpassivierung gebraucht wird.

Misst man nicht an der Solarzelle, sondern an einem emitterlosen beidseitig mit der zu untersuchenden Oberflächenschicht beschichteten Wafer, so lässt sich die wohl bedeutsamere Aufgabe der Schichten untersuchen: die Passivierung der Oberfläche. Mittels Lebensdauermessungen kann die Oberflächenrekombination ermittelt werden, die maßgeblich an der endgültigen Leistungsfähigkeit der fertigen Solarzelle beteiligt ist.

Sind erst einmal die elektrischen Kontakte aufgebracht, so stehen für die nun fertige Solarzelle viele Charakterisierungsmöglichkeiten offen. TLM(transfer length method)-Messungen ermöglichen eine Aussage über die Qualität des Kontaktes von Metall zu Silizium, quantifiziert durch den Kontaktwiderstand. Corescan und Elektrolumineszenz liefern ein ortsaufgelöstes Bild des Serien-/Kontaktwiderstandes. Widerstandsmessungen an den Fingern erlauben Aussagen über die Leitfähigkeit des verwendeten Kontaktmaterials. Oberflächenprofilierung mittels Kontaktprofilometer, Atomkraftmikroskopie oder optischer 3D-Mikroskopie liefern ein Bild des Querschnitts der Kontakte und zusammen mit den obigen Widerstandsmessungen Aussagen über die spezifische Leitfähigkeit des Kontaktmaterials. Lokale Kontaktstellen lassen sich mittels akustischer Mikroskopie auf Fehler hin untersuchen. Ein Blick mit dem Elektronenmikroskop ermöglicht nicht nur gestochen scharfe Bilder der inneren Struktur siebgedruckter oder plattierter Kontakte, sondern auch eine elementspezifische Analyse mittels EDX (energy dispersive x-ray), beispielsweise von Verunreinigungen.

Die fertige Solarzelle

Von essentiellem Interesse ist die elektrische Leistungsfähigkeit der produzierten Solarzelle. Mit Hilfe eines Sonnensimulators mit konstanter Beleuchtung oder eines Blitzsystems wird die Leistungs- bzw. Strom-Spannungs-Kennlinie der Solarzelle unter Beleuchtung von einer Sonne aufgenommen. So werden die Kenndaten wie Kurzschlussstromdichte jsc, offene Klemmenspannung Voc, Füllfaktor FF und Konversionseffizienz η bestimmt. Eine quantitativ belastbare Aussage über die Parameter garantiert der Abgleich mit einer an einem Kalibrationslabor gemessenen Solarzelle. Treten ernst zu nehmende Probleme im Prozess auf, so zeigen sie sich an dieser Stelle in reduzierten Kenndaten. Eine genauere Analyse der Kennlinie umfasst auch die Aufnahme einer Kennlinie im Dunkeln sowie eine Isc/Voc-Messung bzw. Suns/Voc-Messung. Kombiniert liefern die drei Messungen quantitative Angaben über die Parameter beispielsweise anhand des 2-Diodenmodells (Diodenströme, Serienwiederstand und Parallelwiderstand), die wiederum eine Aussage zulassen, wo ein mögliches Problem zu suchen ist.

Die Strom-Spannungskennlinie beantwortet allerdings nicht die Frage, warum die Solarzelle gerade den gemessenen Strom liefert. Zudem stimmt das Spektrum des Sonnensimulators/Blitzsystems in der Regel nicht mit dem normierten Sonnenspektrum (AM1.5) überein, sodass der Kurzschlussstrom gemessen am Sonnensimulator vom wahren Wert unter echter Sonneneinstrahlung abweichen kann (sog. Spectral Mismatch). An dieser Stelle gibt die Messung der spektralen Antwort (engl.: Spectral Response, SR) bzw. die Messung der externen bzw. internen Quantenausbeute (EQE bzw. IQE) die passende Antwort. Durch wellenlängenabhängige Messung des Photostroms kann im langwelligen Bereich eine Aussage über die effektive Diffusionslänge und die Eigenschaften der Rückseite, wie rückseitige optische Reflexion und Rekombination, getroffen werden. Der Verlauf der Quantenausbeute im kurzwelligen Teil des Spektrums verrät etwas über die Eigenschaften des Emitters in Kombination mit der frontseitigen Passivierung, aber auch über die optischen Verluste durch Absorption in der Antireflexions-/Passivierungsschicht (in Kombination mit Ellipsometer-Messungen).

Von integralen hin zu ortsaufgelösten Messungen

Ist anzunehmen, dass die Probe nicht homogen in der Fläche ist, so gewinnen ortsaufgelöste Messungen an Bedeutung. Sei es nun inhomogen, weil die Qualität des Materials dies bedingt (multikristallines Material oder z.B. Oxygen-induced Stacking Faults in Cz-Silizium), oder weil Prozessschritte wie Diffusion oder Passivierung nicht homogen erfolgen.

Eine Möglichkeit der ortsaufgelösten Charakterisierung ist die schnelle kamerabasierte Elektrolumineszenz. Zwar eignet sich Silizium als indirekter Halbleiter nur sehr bedingt als Lichtquelle, aber eine geringe Anzahl von Elektron-Loch-Paaren rekombiniert strahlend, und die wenigen Photonen, die dem Silizium entkommen, tragen, nachdem eine extrem sensitive Kamera diese eingefangen hat, Information über die lokale Ladungsträgerdichte bzw. Spannung am pn-Übergang mit sich. Sei es nun schlechte Materialqualität, ein erhöhter Serienwiderstand oder ein lokaler Kurzschluss, alle sorgen auf charakteristische Art und Weise für eine reduzierte Lumineszenzintensität wenn Strom in die Probe eingeleitet wird. Wenn die Anregung nicht elektrisch, sondern optisch erfolgt, spricht man von Photolumineszenz. Diese bietet andere Möglichkeiten, Informationen über das Material in Erfahrung zu bringen, da sie, anders als die Elektrolumineszenz, weit weniger vom Serienwiderstand der Solarzelle abhängt. Zudem braucht die Probe nicht einmal elektrische Kontakte hierfür, womit auch unfertige Solarzellen charakterisiert werden können.

Eine andere ortsaufgelöste Technik zur Untersuchung von prozessierten Solarzellen ist die Lock-In Thermographie. Fällt aus irgendeinem Grunde lokal Wärme ab, wie sie durch Rekombination von Ladungsträgerpaaren oder einfach durch Joule‘sche Verluste entsteht, so zeigt sich dies im Wärmebild. Damit genügend Ladungsträger vorhanden sind, werden sie entweder optisch angeregt oder über eine externe Stromquelle zugeführt.

Konzentriert man sich auf wenige diskrete Wellenlängen, so kann mittels LBIC (laser beam induced current) die Quantenausbeute lokal unter Beleuchtung mit Laserdioden gemessen werden. Ein zugehöriger beweglicher Tisch ermöglicht die Aufnahme einer Topographie des Kurzschlussstroms bzw. der Quantenausbeute. Ausgehend von der internen Quantenausbeute lässt sich auch die Verteilung der effektiven Diffusionslänge bestimmen.

Dem LBIC verwandt ist die EBIC-Technik (electron beam induced current), bei der energiereiche Elektronen die Anregung von Elektron-Loch-Paaren übernehmen. Abhängig von der verwendeten Beschleunigungsspannung kann die Eindringtiefe eingestellt werden. Dazu kommen eine hohe Auflösung und als integrierter Teil des Elektronenmikroskops die Möglichkeit, die Messung direkt mit einem Elektronenmikroskop-Bild oder der Kristallorientierung zu korrelieren. Die Messungen können hinunter bis auf Temperaturen von flüssigem Stickstoff ausgeweitet werden, was eine temperaturabhängige Analyse von Defekten erlaubt.

Ein Blick in die Tiefe

Auch die Gründe für materialbedingte Inhomogenitäten lassen sich genauer untersuchen. Größere lokale Verunreinigungen wie Ausscheidungen können beispielsweise mittels Infrarot-Mikroskopie untersucht werden. Sind es kleinste Verunreinigungen, so kann auch Elektronen- oder selbst Transmissionselektronenmikroskopie herangezogen werden.

Schließlich kann manchmal auch die gezielte Zerstörung mittels eines Bruchtesters noch Informationen liefern. Denn eine zerbrochene Solarzelle in der industriellen Produktion ist nicht nur ärgerlich, sondern zieht oft einen zeitweisen Systemausfall mit sich und verringert damit die Produktivität. Systematische Tests, ob bestimmte Prozessschritte die Zellen fragiler machen, sind unabdingbar. Selbiges gilt natürlich auch für die Lötverbindungen, welche die Solarzellen im Modul verbinden. Löst sich der Kontakt, so geht mit etwas Pech nicht nur die betroffene Solarzelle kaputt, sondern gleich das ganze Modul. Eine Messung der Adhäsionskraft kann hier Abhilfe schaffen. Akustische Mikroskopie ermöglicht einen Blick selbst in die Lötstelle hinein.